Die Geistigen

Die charakterlich und geistig Besten sollen herrschen und die Gesetze geben

"Wie? Wir tischten die seit Generationen abgestandene These vom 'unmündigen Volk' wieder auf? Da sei der Geist vor! Volk ist die Einheit, und Volk ist mündig. Mündiger oft als jene Zufalls-Herren, die sich anmaßen es zu lenken. Bedeutet Volk denn... die Summe aller Parteiwähler? Volk heißt die schwere feierliche Wolke, der die Geistigen, diese Blitze, entzucken. Welche Ursubstanz wäre es, die immer von neuem den Adel erzeugt, wenn nicht das Volk? Masse aber, die Summation der vielen minder Werten, Masse bleibt unmündig, überall und jederzeit - die Masse nicht etwa 'des Proletariats', sondern einer Species, die sich quer durch Schichten und Stände schiebt und der meist gerade die angehören, die sich brüsten, Besseres zu sein."

"Erziehen wir die zu Erziehenden zum Erlebnis der Gemeinschaft und der Gleichheit, erziehen wir sie aber mit demselben Atemzug zum Erlebnis der Persönlichkeit und des Ranges."

"Verkehrt wäre, die Massen auszuschalten; sie können gar nicht gerecht genug eingeschaltet werden, also unter Verzicht auf Fünfprozentklauseln und noch schmutzigere Wahlrechtskniffe. Aber die vorzüglichste Weisheit für Vaterländer und die Menschheit findet sich nicht bei den Massen, sondern bei den Wenigen. Vor fast zweieinhalb Jahrtausenden zuerst erschürft, in Athen, muß diese Erkenntnis endlich, endlich, endlich durch Willen und Gestaltungskraft im Raume vollzogen werden. Darum heißt der Aktivismus Aktivismus, weil er verwirft, daß sie Litteratur bleibt."

"Bis tief in unser Jahrhundert hinein gab es an den preußischen Schulen, vermutlich an allen deutschen, 'Rangordnung' - ein Begriff, den Nietzsche mit Recht in die Philosophie gerettet hat. Es ist demokratisch, diese Einrichtung zu verwerfen, und zwar darum, weil alle Menschen gleich seien und niemand etwas für seine stets nur partielle Überlegenheit könne, so wenig wie für seine Unterlegenheit; eine Rangordnung in der Schule mache die Menschen, schon von Jugend an, teils neidisch und rachsüchtig, teils überheblich und anmaßend. Ich, ich finde 'Rangordnung' lobenswert. Vorzüge sollen unterstrichen werden, Begabte ermutigt, Wettkampf ist im intellektuellen Bereich genau so legitim und schön wie im sportlichen. Und der Schwächere hat die Bekanntgabe seiner schwächeren Position eben hinzunehmen. Gerade darin zeigt sich Charakter, daß der Stärkere seine Stärke nicht mißbraucht, der Schwächere seine Schwäche erträgt, sie vielleicht zu überwinden trachtet oder aber auf ihr seine Nützlichkeit für die Gemeinschaft aufbaut. Nein, man hat Beethoven nicht mit irgendeinem Geiger im Orchester auf eine Stufe zu stellen, aber auch der kleine Geiger im Orchester ist unentbehrlich."

"Jene Aristoi, die seit Platon gemeint werden, sind gedanklich und charakterlich überragende Überfachliche, sind 'philosophoi', was auf deutsch keineswegs Philosophieprofessoren heißt, sondern Geistige (womit nicht geleugnet wird, daß der Typ, ausnahmsweise, auch unter Professoren vorkommt)."

"In der Geschichte der Welt sind es bis auf den heutigen Tag die Falschen gewesen, die geherrscht, die das Zusammen der Menschen, der Völker geregelt und bewacht haben; bevor nicht die Ära einer Herrschaft der Rechten und Befugten, einer Herrschaft der Geistigen anbricht und abrollt, wird die Menschheit auf Herrschaft nicht verzichten können. Es hat noch nie auf Erden Aristokratie gegeben..."

Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi, Gründer der Pan-Europa-Bewegung: "Erst bis die Menschheit durch systematische Erziehung und Kultivierung auf dem Punkte angelangt sein wird, wo die Guten und Weisen Mehrheit, die Toren und Bösen Ausnahmen sind, erst dann ist die Welt reif für Demokratie: sie dahin zu geleiten und sich selbst überflüssig zu machen, sei Ziel aller Neo-Aristokratie."

An die Intellektuellen richtet Hiller folgenden Appell: "Was wir vermögen, ist zunächst wenig. Solange uns die politische Macht fehlt, die Verlängerer der kapitalistischen Unzucht dorthin zu befördern, wohin jeder Fromme sie wünscht, bleibt uns das bescheidene, darum nicht unnütze Mittel des gesellschaftlichen Boykotts gegen sie. Der Intellektuelle, statt ihnen, was er leider so gern tut, in eine gewisse Gegend zu kriechen, drehe ihnen mit Schwung die eigene zu. [...] Der Geistige benehme sich herausfordernd-exklusiv gegen den Plünderer, hochmütig bis zum Exzeß; der Raffer muß eine so verachtete Kaste werden wie weiland der Schinder, der Henker. Und in je legaleren Bahnen er rafft und je bessere bürgerliche Manieren er hat, desto verachteter sei er! - Der moralisch-gesellschaftliche Boykott als Vorgefecht der Expropriation; die Ächtung als Prolog der Vernichtung. Dieser Vorschlag, ich weiß es, bleibt eine Illusion, solange die Intellektuellen in ihrer Mehrzahl jenes unsolidarische, ehrlose, korrupte Pack sind, das sie sind; solange sie sich (mit vollem Bewußtsein oder mit halbem; auf grobe oder auf feinere Art) vom Kapital, vor allem vom Zeitungskapital, kaufen lassen. Vielleicht aber wird unter ihnen die Zahl derer wachsen, die begreifen, daß die schändliche Abhängigkeit, in der wir stehen, nicht dadurch erschüttert wird, daß wir ihr Vorschub leisten."

"Das Leben bedeute das und das, es habe den und den Sinn - : so sehr ist doch jeder von uns befugt, seinem Leben, seinem persönlichen Leben, seinem eines erkennbaren Sinns objektiv entratenden Leben, einen Sinn zu geben. Wir dürfen jeder über unser Leben sagen: Hat es keinen Sinn so habe es einen!
Jawohl, der Mensch, das vernünftige Wesen ist souverän, seinem Leben einen Sinn zu geben. Das Fiasko seiner Erkenntnis hindert nicht den Triumph seines Willens."

"Nietzsche definiert den großen Philosophen als den großen Gesetzgeber [...] Er geht an die 'Umwertung aller Werte' heran, nicht an die Eliminierung der Idee des Werts, nicht an die Zerstörung des Wertens. Er ist Anti-Nihilist par excellence. Das Dritte Buch des WILLENS ZUR MACHT heißt geradezu: 'Prinzip einer neuen Wertsetzung'. Nietzsches Philosophie, zumal die krönende der letzten paar Jahre, ist voll von Imperativen, sie birst vor Thetik des Guten und Bösen."

"Wer könnte uns Führen? Die charakteriellen Voraussetzungen:
Er muß wahrhaftig sein (was Diplomatie nicht ausschließt), un-eitel (was Ehrgeiz zwecks Verwirklichung des sozial Guten nicht ausschließt) und zielklar, zielsicher, zielfest (was Elastizität und Wendigkeit in den Methoden nicht ausschließt; denn ein Mensch mit Wirklichkeitssinn, der obendrein ein Charakter ist, haßt zwar die Kompromisse, weiß aber, daß es praktisch ohne sie nicht geht; er wird sie nicht suchen, aber ihnen auch nicht sektiererstur ausweichen).
Die intellektuellen Voraussetzungen:
Er muß mit den philosophischen Grundproblemen gerungen haben, übrigens erfolgreich. Er muß erfolgreich mit den Grundproblemen der Politik gerungen haben, der innern wie der äußern, der kulturellen wie der ökonomischen, der deut-schen wie der europäischen und planetarischen. Er muß, bei aller Kenntnis der geschichtlichen Entwicklung, ungekettet an das Gewordene sein, vielmehr konstruktiv unter der Perspektive des von der sittlichen Vernunft Gebotenen; wiederum muß er, bei aller Ethizität, Gefühl für das Mögliche haben. Historismus und Utopismus müssen seinem Bewußtsein Scylla und Charybdis bedeuten; Idealistenfeuer und Wirklichkeitssinn müssen in ihm als eine schöpferische Einheit leben ..."

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